„Sound of Freedom“: Der unheimliche Verschwörungs-Blockbuster, der in den USA gerade Rekorde bricht
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In der Pflanze steckt keine Gentechnik
Aber keine Sorge:Gentechnish verändert sind die
IMAGO/Everett Collection Jim Caviezel in "Sound of Freedom"
Sonntag, 30.07.2023, 08:21
In den USA steht „Sound of Freedom“ an der Spitze der Kinocharts – vor Hollywood-Blockbustern wie „Indiana Jones“. Im Film geht es um einen Mann, der Kinder vor Missbrauch durch gesellschaftliche Eliten rettet. Bestimmte Zuschauer erkennen darin mehr als bloße Fiktion. Eine Spur führt zur QAnon-Bewegung.
Es ist der größte Überraschungshit des laufenden Jahres: „Sound of Freedom“, ein Spielfilm, der von der Rettung misshandelter Kinder handelt, bricht seit seinem Kinostart am 4. Juli täglich Rekorde. Doch der Film polarisiert enorm: Einige sehen in ihm den Gipfel rechter Propaganda, andere eine langersehnte, ehrliche Darstellung verdeckter Missstände unserer Gesellschaft.
Jesus-Schauspieler Jim Caviezel als Kinderretter
Der Inhalt des Films ist schnell zusammengefasst: Die Kinder eines Kolumbianers werden gekidnappt. Die Hauptfigur, ein weißer Mann im mehrheitlich dunkelhäutigen Kolumbien, begibt sich auf die Suche nach ihnen und stößt auf ein kriminelles Netzwerk des Kinderhandels und -missbrauchs. Dieses Netzwerk scheint unter Kontrolle geheimer Machthaber zu sein.
Durch ihren christlichen Glauben bekräftigt riskiert die Hauptfigur ihr Leben und macht sich – nahezu im Alleingang – daran, die Kinder zu erretten.
Gespielt wird der Heroe namens Tim Ballard von Jim Caviezel, der in Mel Gibsons „Die Passion Christi“ (2004) die Jesus-Rolle übernahm. Als Regisseur fungierte Alejandro Goméz Monteverde, dessen Werk „Bella“ auf dem Toronto Filmfestival 2007 den Publikumspreis gewann.
Der Mythos vom „weißen Messias“
Besetzung und Handlung des Films werden seit Filmstart als politisch inkorrekt kritisiert. Die „Welt“ legt in einem Artikel logisch nachvollziehbar dar, welche Rolle der christliche Glaube der weißen Hauptfigur für Film und Filmbotschaft spielen könnte.
Immer wieder zitiere Ballard Bibelverse, bevor er den dunkelhäutigen Kriminellen schrittweise das teuflische Handwerk lege. Bestärkt werde dadurch der Mythos des „weißen Messias‘“, der durch seine Schlauheit „Eingeborene“ befreie – und deren Dank ernte.
Doch reicht diese Kontroverse, um den Erfolg von „Sound of Freedom“ zu erklären?
Wirtschaftlich ein Megahit
Ökonomisch betrachtet ist „Sound of Freedom“ jedenfalls der feuchte Traum der Filmindustrie: Schlappe 15 Millionen US-Dollar betrug das Budget für die Produktion. Seit seiner Veröffentlichung wurden aber bereits mehr als 85,5 Millionen US-Dollar eingespielt.
Das amerikanische Finanzmagazin „Forbes“ berichtet, schon am Eröffnungswochenende habe „Sound of Freedom“ 14,24 Millionen US-Dollar eingefahren – mehr als Disneys Sommer-Blockbuster „Indiana Jones“. Dennoch sei der Bruttoumsatz des Films in der letzten Woche noch einmal gestiegen, um ganze 37 Prozent.
Bradon Purdie, Leiter der Verwertung des Films bei Angel Studios, teilte in einer Pressemitteilung vom 16. Juli mit, in der gesamten amerikanischen Filmgeschichte habe es bisher „nur 10 landesweit veröffentlichte Filme gegeben, die sich in der zweiten Woche um mehr als 35 Prozent gesteigert” hätten. Bis auf „Sound of Freedom“ hätten alle dieser Filme den Sprung während der Weihnachtsfeiertage geschafft.
Film basiert auf wahrer Geschichte
Was macht „Sound of Freedom“ also so erfolgreich? Viele Zuschauer loben den Realitätsbezug und die Botschaft des Films.
Inspiriert wurde „Sound of Freedom“ durch das Leben von Timothy Ballard, einen Anti-Menschenhandel-Aktivisten und Gründer der gemeinnützigen Organisation „O. U. R.“ (Operation Underground Railroad, dt.: Operation Untergrundeisenbahn). „O. U. R“ führt verdeckte Operationen zur Befreiung missbrauchter Kinder in Südamerika durch.
2016 erschien unter dem Titel „The Abolitionists“ (dt.: die Abschaffer (der Sklaverei)) ein Film, der eine verdeckte Rettungsmission in Haiti dokumentiert. 2018 und 2020 erschienen ähnliche Dokumentationen.
Filmende polarisiert
Wichtig ist dieser Hintergrund u. a. um die Kontroverse um das Filmende und die Filmbotschaft zu verstehen. Nach dem eigentlichen Filmende wendet sich Caviezel nämlich direkt an den Zuschauer. Tränenden Auges spricht er über Kinder, die als Sexsklaven gehandelt werden. Es gebe heute sogar mehr Sklaven als früher – obwohl damals der Menschenhandel legal war.
IMAGO/Everett Collection Der ehemalige Jesus-Darsteller Jim Caviezel spielt im Überraschungshit "Sound of Freedom" einen Vater, der sich auf seiner Suche nach seinen Kindern einem Menschenhandels-Netzwerk gegenüberstellt.
Anschließend fordert Caviezel den Zuschauer auf, Mitmenschen Kinokarten für „Sound of Freedom“ zu schenken, damit möglichst viele seine wichtige Botschaft erhalten.
Caviezel glaubt an satanistische Elite, die Kinderblut zur Verjüngung nutzt
Wirklich kontrovers werden Caviezels Aussagen aber erst, wenn man sie im Kontext berücksichtigt. Caviezel gehört seit Jahren der umstrittenen Gruppe QAnon an. Die Gruppe verbreitet in Amerika Verschwörungstheorien mit rechtsextremem Hintergrund.
Eine besonders populäre QAnon-Theorie besagt, dass die geheime Elite der Gesellschaft eine versteckte Regierung bilde, den sogenannten „deep state“ (dt.: Tiefer Staat oder Staat im Staat). Die öffentlich sichtbaren Politiker seien bestenfalls Marionetten. Viele QAnon-Anhänger glauben, der ehemalige Präsident Donald J. Trump habe dafür gekämpft, den „deep state“ aufzudecken und abzuschaffen.
Was die versteckte Elite so gefährlich macht: Sie missbrauche ihre Macht und vergehe sich unter anderem an Kindern, die sie töteten, um aus deren Blut „Adrenochrom“ abzusaugen – eine lebensverlängernde Droge.
Caviezel: „Ein Sturm wird kommen“
Berichten der „NHPR“-Zeitung zufolge warb Caviezel sogar während einer Presseveranstaltung für „Sound of Freedom“ für diese Theorie.
Auf einem Podcast des ehemaligen Trump-Beraters Steve Bannon soll Caviezel QAnon eine „gute Sache“ genannt und gesagt haben: „Das ganze Adenochrom-Reich […] Das ist eine Elitedroge, die [die Mitglieder der verdeckten Elite] seit vielen Jahren benutzen.“ Die Droge sei „10-fach potenter als Heroin“ und habe “mystische Eigenschaften, wenn es darum geht, einen jünger aussehen zu lassen”.
Seine Erwartungen für den gesellschaftlichen Einfluss des Films fasste Caviezel in demselben Podcast mit einem Satz zusammen, der unter QAnon-Anhängern weit vebreitet ist: „Ein Sturm wird kommen.“
QAnon – die Gruppe, die das Kapitol stürmte
Der breiten Öffentlichkeit wurde QAnon bekannt, als am 6. Januar 2022 eine Horde von Trump-Anhängern das Kapitol in Washington D. C. stürmte. Auf vielen Fotos tauchte damals ein Mann mit Fellmütze und Büffelhörnern auf, mit bemaltem Gesicht, Speer, Nationalflagge und nacktem Oberkörper. Bei diesem Mann handelte es sich um Jacob Chansley, einen QAnon-Gläubigen, der den „deep state“ stürzen wollte.
Als unsichtbarer Anführer der QAnon-Bewegung gilt unter Anhängern John F. Kennedy Jr. Einem Bericht der „Dallas Morning News“ zufolge erwarteten hunderte von QAnon-Anhängern am 1. November des letzten Jahres auf der Dealey Plaza in Dallas die Ankunft ihres Führers – welcher jedoch nicht kam. Kennedy Jr. ist im November 1999 bei einem Flugzeugabsturz verstorben.
Deutschland hat zweitmeiste QAnon-Anhänger der Welt
Auch in Deutschland glauben viele an die Verschwörungstheorien QAnons. Tatsächlich gibt es außerhalb der USA kein Land, in dem QAnon so viele Anhänger hat.
Eine repräsentative Studie der gemeinnützigen Organisation Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) mit fast 2.000 Befragten, die im März dieses Jahres veröffentlicht wurde, zeigte, dass mehr als jeder zehnte Deutsche (12,4 Prozent) die QAnon-Theorien für richtig hält. Besonders Mitglieder der Reichsbürgerszene sowie AfD-Wähler glaubten häufig an die Theorien. 4 von 10 AfD-Wählern (44 Prozent) sahen die Theorien als richtig an. Unter allen betrachteten Gruppen waren nur Gegner von Corona-Impfungen häufiger QAnon-Gläubige (46 Prozent).
Bei der Linken läuten die Alarmglocken
Angesichts der weltweit voranschreitenden Verbreitung rechtsextremen und verschwörerischen Gedankenguts hat die amerikanische Linke bereits Alarm geschlagen. John Knefel, Journalist für die linke Überwachungsorganisation „Media Matters for America", bezeichnete „Sound of Freedom“ dem britischen Nachrichtensender „BBC“ gegenüber jüngst als Versuch der Rechten, ihre eigenen politischen Themen als „Mainstreamfilm, als wichtigen Film“ zu präsentieren. Ein Schlüssel zum unerwarteten Erfolg des Films sei gewesen, dass Caviezel „QAnon-Botschaften und Theorien absolut angenommen“ und entsprechend beworben hätte.
„Ich denke, dass [„Sound of Freedom“] sehr wohl zur Vorlage für das Mainstreaming rechtsextremer Gedanken unter dem Gewand eines Popcorn-Blockbusters werden könnte“, sagt Knefel.
wop